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„Bläserballett“ gibt Rhythmus vor
Wenn die Arbeiter in der Anlaufspur am Schattenberg ihre Maschinen anwerfen, tanzen die Schneeflocken. Das Resultat: Perfekte Bedingungen für die Skispringer
Mit Musik und Tanz hat der Job der Männer in der Anlaufspur bei der Vierschanzentournee wenig zu tun. Dennoch werden sie im Oberstdorf-Team mit liebevollem Stolz das „Bläserballett“ gerufen. Dabei spielen sie nicht Tuba und Trompete und nach ihren Klängen tanzen allenfalls die Schneeflocken. Die dafür aber gewaltig, denn wenn die Bläser ihre Maschinen anwerfen, gibt es für den Schnee kein Halten mehr. Sechs, sieben Kilo schwer sind die Laubblasgeräte, mit denen die Arbeiter Anlauf und Spur der Großschanze in wunderbarer Formation gegen Wind und Wetter verteidigen.
Mit dem Laubblasgerät dem Schnee zu Leibe rücken, diese Idee hatten die Oberstdorfer bereits vor einigen Jahren. Die gesteigerte Medienaufmerksamkeit mit aufwändigen Übertragungszeiten im Fernsehen und Werbepausen machten eine Änderung der Arbeitsweise nötig. „Früher hast du ausgefegt und fertig war die Spur“, so Schmid. Da sei alle zwanzig Sekunden ein Springer hinunter gelassen worden und es konnte sich schon gar nicht zu viel Schnee ansammeln. Heutzutage gebe es immer wieder längere Unterbrechungen, auch durch Werbung. Schmid erinnert sich noch genau an die Reaktionen auf die Innovation. „Was haben sie alle gelacht, egal ob Österreicher, Norweger oder sonst wer“, erinnert er sich an die Einführungsphase. Mit fünf oder sechs ganz unterschiedlichen Geräten hatte man damals angefangen. Jeder habe halt das mitgebracht, was die eigene Hütte für Gartengeräte hergegeben habe. Ein Jahr drauf waren es schon zehn Laubbläser, ausgeliehen bei den Bauhöfen von Oberstdorf bis Sonthofen. Ein jeder blies, was das Zeug hielt, aber es fehlte der Einklang. Um überall die gleiche Kapazität zu haben, machte Albert Schmid den Vorschlag, einen einzigen Sponsor für das bisher einmalige Experiment zu gewinnen. Die Firma Stihl stieg mit ins Boot und mit den Ergebnissen waren alle zufrieden. Gelacht hat da schon niemand mehr über die Oberstdorfer, sondern die Idee fand Freunde in aller Welt.
Trotzdem war nach einem Jahr schon wieder Schluss mit dem fröhlichen Blasen, denn es galt rechtliche Probleme aus dem Weg zu räumen. Die Laubblasgeräte waren nämlich bis dahin ausschließlich für den Sommerbetrieb zugelassen. Dass man damit nicht nur dem Herbstlaub den Marsch blasen, sondern auch die Vierschanzentournee bereichern kann, daran hatte wohl niemand gedacht. Ein Jahr später gab es dann aber auch von gesetzlicher Seite „grünes Licht“. Seither sind die Laubbläser nicht mehr wegzudenken und zwar nicht nur aus Oberstdorf, sondern von keiner Schanze dieser Welt. „Kaltes Wetter, ungewöhnliche Wärme, Regen, Schnee „ alles hat Albert Schmid, der gemeinsam mit Fritz Jäckle das Ressort Anlauf und Spur leitet, schon erlebt. Nicht Regen oder Pulverschnee bereiten die großen Probleme. Am schlimmsten sei feuchter Schneeregen, der verbinde sich mit der Spurauflage. „Da wirst du mit dem Blasen nicht mehr fertig“, erzählt der Oberstdorfer. Überhaupt hätten seine Männer einen harten Job, stundenlang ohne Bewegung Wind und Wetter ausgesetzt, auf einem exponierten, aber nicht gerade stabilen Stand. „Höchste Konzentration ist erforderlich, denn wenn ein Springer in die Spur ginge, während wir noch blasen, das wäre der Super-Gau“, meint Schmid. Darum ist er froh, dass das System verfeinert wurde und er jetzt über eine zweite Ampel sehen kann, wann der Trainer abwinkt.
25 Mann stehen auf Schmids Wunschliste für die 15 bis 17 Maschinen, damit er alle halbe oder dreiviertel Stunde seine Helfer auswechseln und zum Aufwärmen schicken kann. Was er sich wünscht für die 62. Vierschanzentournee? Das sei einfach. „Schönes Wetter“, meint er lachend, “denn dann ist der Job da oben für mein absolut verlässliches eingespieltes Superteam so was wie Urlaub“.
Text: Elke Wiartalla